Der Gender Leadership Gap (GLG) ist ähnlich des Gender Pay Gaps ein Indikator für Chancengleichheit und wird vom DIW Berlin erhoben.
Was ist das DIW?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, kurz DIW, forscht bereits seit 1925 im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft und ist für Institutionen beratend tätig. Ziel ist es, Zusammenhänge zu analysieren, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft ist das DIW unabhängig und wird größtenteils von öffentlichen Geldern finanziert.
Beim GLG wird explizit die Besetzung von leitenden Positionen durch weibliche Führungskräfte betrachtet. Es geht also darum, den Chancennachteil von Frauen skalierbar zu machen. Berechnet wird hierfür die Differenz zwischen dem Anteil von Frauen an der Gesamtzahl der abhängig Beschäftigten und dem Anteil von Frauen in hohen Führungspositionen. Der Wert läge also bei 0, sobald Frauen und Männer mit gleicher Wahrscheinlichkeit eine Führungsposition besetzen. Der GLG entspricht einer internationalen Standardklassifikation (ISCO-88, Hauptgruppe 1) und bezieht sich auf ausgewählte leitende Positionen. Neben dem Ländervergleich kann auch unternehmensintern oder branchenspezifisch ermittelt werden, wie es um den Zugang zu Führungspositionen für Frauen steht. Einen besonders hohen GLG finden wir im Finanzsektor und im Bereich öffentliche Verwaltung, der niedrigsten Wert wird im Informations- und Kommunikationssektor verzeichnet. Eine bedeutende Ursache für den GLG ist laut DIW Berlin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, welche Frauen häufig in eine Teilzeittätigkeit nötigt – bei der Besetzung von Führungspositionen werden jedoch Vollzeitler bevorzugt. Betrachten wir die Ergebnisse dieser Forschung, so erscheint das Ursachen-Wirkungsprinzip ziemlich deutlich, und dennoch zeigen nicht zuletzt die Herausforderungen im Kontext der Pandemie: Frauen bleiben im höchsten Maß beansprucht.
Zwar ist der Gender Pay Gap in den letzten 30 Jahren auf 18 % gesunken, was sich vermutlich durch die politischen Bemühungen rundum die Kinderbetreuung und Sorgearbeit zurückführen lässt, das DIW Berlin hebt jedoch hervor, dass die Angleichung der Gehälter fast ausschließlich in der jüngeren Generation zu beobachten ist. Dies bestätigt die Vermutung, dass spätestens ab der ersten Schwangerschaft und der damit einhergehenden Pausierung sowie dem zeitweise Wechsel von Voll- auf Teilzeit eine Diskrepanz entsteht, die bei Wiedereinstieg in den Beruf nicht mehr aufzuholen ist.
Es gibt aber auch Gutes zu berichten: So ist eine deutliche Steigerung der Anzahl von Frauen in Vorständen zu belegen und das VOR der Einführung des Führungspositionengesetzes (FüPoG II). Gesetze? …
Politische Bemühungen – nein danke
Kurz zur Übersicht der politischen Bemühungen. 2015 begannen die Maßnahmen mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen. Dies erbrachte jedoch nicht den gewünschten Effekt, also entschied man sich 2015 für das „Erste Führungspositionen-Gesetz“ (FüPoG I), welches den 150 börsennotierten deutschen Unternehmen bei Neubesetzungen des Aufsichtsrats eine Frauenquote von mindestens 30 % vorschrieb. Ist dies für die Unternehmen nicht umsetzbar, so müssen diese Positionen unbesetzt bleiben. Doch damit nicht genug – die Bundesregierung setzte im Jahr 2021 noch einen drauf und verabschiedete am 12. August das „Zweite Führungspositionen-Gesetz“ (FüPoG II) … Frauenquote 2.0
Wichtigste Regelungsinhalte des aktuellen FüPoG II sind:
In Unternehmen der Privatwirtschaft
- Ein Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau gilt für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Davon werden 66 Unternehmen betroffen sein, von denen aktuell 21 keine Frau im Vorstand haben.
- Unternehmen müssen in Zukunft begründen, warum sie sich das Ziel setzen, keine Frauen in den Vorstand zu berufen. Unternehmen, die keine Zielgröße melden oder keine Begründung für die Zielgröße Null angeben, werden künftig effektiver sanktioniert.
In Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung Bund und in Körperschaften des öffentlichen Rechts
- Der Bund nimmt seine Vorbildfunktion ernst und setzt seinen Unternehmen strenge Vorgaben. Die feste Geschlechterquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten ist auf Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes ausgeweitet worden. Für diese aktuell 94 Unternehmen wurde außerdem eine Mindestbeteiligung von einer Frau in Vorständen eingeführt, die mehr als zwei Mitglieder haben.
- Auch in Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den Krankenkassen und bei Renten- und Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit wurde eine Mindestbeteiligung von einer Frau in mehrköpfigen Vorständen eingeführt. Das Mindestbeteiligungsgebot gilt künftig für aktuell rund 155 Sozialversicherungsträger.
Im öffentlichen Dienst des Bundes
- Der Bund setzt sich auch das Ziel, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen im Geltungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes bis Ende 2025 zu erreichen.
- Mehr Gleichstellung erreicht auch die Ausweitung der Vorgaben des Bundesgremienbesetzungsgesetzes. Dadurch fallen bereits Gremien mit nur zwei Mitgliedern unter die Regelung. Aktuell rund 107 weitere Gremien des Bundes sind künftig adäquat mit Frauen zu besetzen.
Wirkungsvoll oder reine Symbolpolitik?
Viele Frauen sprechen sich aktiv gegen eine Frauenquote aus, so ist dies doch eine Maßnahme, die eine vermeintlich schwache Randgruppe künstlich in das System integriert, welches von der inneren Haltung und Überzeugung noch lange nicht auf eine solche Transformation eingestellt ist.
Was braucht es also? Einen Mindshift, sagen wir. Es muss deutlich werden, dass Frauen in Vorständen und Führungspositionen keine Seltenheit, sondern wertvoll sind. Der Wandel, der sich in der Gesellschaft vollzieht, der Fokus auf das Individuum, das Anerkennen von Kreativität als produktive Einflussgröße zeigen: die als weiblich geltenden Eigenschaften und Führungsstile, die einen großen Wert auf emotionale Intelligenz legen, sind geforderter denn je. Lange laufen Prozesse nicht mehr geradlinig in starren Bahnen, das Patriarchat hat ausgedient und wenn wir als Unternehmen, als Land, als Gesellschaft wachsen und erfolgreich sein wollen, müssen wir gemeinsame Sache machen. Statt in binären Strukturen und Kompetenzen zu denken, müssen wir die individuellen Stärken des Einzelnen nutzen, um in einer diversen Welt zu bestehen.
Überholspur sieht anders aus
Wollen wir eine wirkliche Veränderung statt aufgesetzte Richtlinien, müssen wir uns zunächst eingestehen „Wie man es dreht und wendet: Deutschland hat einen der höchsten Gender Pay Gaps in Europa“ (DIW). Noch schlechtere Werte finden sich lediglich in Österreich und Estland! Eine traurige Tatsache, finden wir. Zeit also, mal nachzuschauen, wie andere Länder das so machen und was wir uns vielleicht abschauen können! Vorbildlich erscheinen vor allem nordeuropäischen Länder: Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden, hier sind Frauen im Durchschnitt weitaus zahlreicher erwerbstätig als in Deutschland und doch ist die Lohnlücke wesentlich geringer. Rasantes Beispiel: In Schweden liegt die Frauenerwerbsquote bei 81 % und der GPG bei 12%. Ausbaubar, aber ein großartiger Ansatz.
(Ihr wollt mehr darüber wissen? Schaut euch unsere weiteren Artikel zu diesem Thema an und entdeckt, was andernorts möglich ist und wie vielleicht auch wir dorthin gelangen können)
Zahlen, Werte und Fakten
Und zum Abschluss noch einen interessanten Kennwert für euch, den Gleichstellungsindex (Gender Equality Index). Dies ist der Versuch einer Quantifizierung, um die Zusammenhänge der geschlechtergerechten Gesellschaft in Europa analysierbar zu machen. Untersuchungsgegenstand ist die Europäische Union mitsamt seinen Mitgliedsstaaten und wird vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) erhoben. Der Index wird durch Zahlen zwischen 1 (mangelhaft) und 100 (ideal) ausgedrückt. Ziel ist es, eine übergeordnete Instanz zur Überwachung der Entwicklung der Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen. Einflussvariablen sind Arbeit, Geld, Bildung, Zeit, Macht und Gesundheit. Der Wert für Deutschland liegt hier bei 68,6. Detailansichten findet ihr hier: Germany | 2021 | Gender Equality Index | European Institute for Gender Equality (europa.eu)